Die Orgelbaufirma Andreas Offner aus Kissing hat im Lauf des Jahrs 2014 eine neue Pfeifenorgel erbaut und am 21.11.2014 fertiggestellt.
Ein beeindruckendes Instrument, das den Sakralraum des neuen Gotteshauses der neuapostolischen Kirchengemeinde vervollständigt, ist unter den Händen des Orgelbaumeisters entstanden. Andreas Offner stellte im Anschluss an einen Sonntagsgottesdienst die Vorzüge der Orgel dar, die bis auf die Beleuchtung und dem Gebläse, komplett auf Elektrik und Elektronik verzichtet. Die eingesetzte Mechanik ermöglicht eine sehr direkte Spielweise. Es betonte, dass eine Orgel davon lebt gespielt zu werden. Deshalb forderte er alle Organisten und die, die es noch werden wollen dazu auf, regen Gebrauch von dem Instrument zu machen.
Andreas Ostheimer, Orgelsachverständiger der Neuapostolischen Kirche Süddeutschland brachte nicht nur die Klangfarben der Orgel zu Gehör, sondern erläuterte auch die Beweggründe für die Beauftragung einer Orgelbauweise nach französischem Stil. Durch die Bauweise des Kirchengebäudes, das von 180 Sitzplätzen durch die Hinzunahme der Nebenräume auf fast 300 Plätze erweitert werden kann, wurden ganz besondere Herausforderungen an das Instrument gestellt. Die Wahl der Register musste so erfolgen, dass sowohl eine leise Spielweise, z.B. Vor dem Gottesdienst möglich sein muss, als auch eine entsprechend kräftige Beschallung bei Hinzunahme der Nebenräume. Im Detail beschreibt Andreas Ostheimer die Orgel wie folgt:
„Die Orgel steht am höchsten Punkt der Kirche, im Altarbereich rechts des Altars. Daher war auch ein Freipfeifenprospekt gewünscht, um die Ansicht durch ein geschlossenes Gehäuse nicht zu massig erscheinen zu lassen. Eine besondere Gestaltung zur Wahrung der Geradlinigkeit erhielt die Eckpfeife des Prospekts, die zwei Labien besitzt. Die Seitenwände sollten ebenfalls aufgelockert werden, dabei aber auch möglichst viel Klang hindurch lassen. Daher wurden mit grobem Stoff überzogene Rahmen eingebaut, die zudem noch einen Bezug zur Haptik der nach außen gekippten Altarwand aus Sichtbeton herstellen.
Die Konzeption der Orgel ist aus dem Kirchenraum entwickelt: Dieser nimmt vom Altarraum aus sehr rasch an Höhe ab und besitzt mit den zuschaltbaren Nebenräumen eine variable Größe. Um die Akustik durch die absinkende Decke und die Vergrößerung des Raumes insgesamt musikalisch in den Griff zu bekommen, sind eine Zungenstimme, kräftige Aliquote und eine Mixtur disponiert. Gleichzeitig sind aber auch im meditativen Spiel Möglichkeiten vorhanden. Zur Bereicherung der Orgellandschaft in unseren Kirchen ist aus diesen Rahmenbedingungen die Orientierung am klassischen französischen Orgelbau hervorgegangen, die bis in die Gestaltung der Mensuren nach Clicquot fortgeführt ist.
Der Aufbau der Orgel ist klar und schlicht: auf einer Ebene stehen vorne Grand Orgue (Hauptwerk) und hinten Echo (Schwellwerk). Der Echokasten ist nach vorne geschlossen und besitzt nur in der Dachschräge Lamellen, die über einen Handzug geschlossen werden können. Seine Wirkung ist dadurch sehr stark. Der Bourdon 16‘ steht hinter dem Echo auf derselben Ebene und spricht zur Altarwand hin aus.
Unter Echo und Pedal liegen zwei Keilbälge, die ihren Wind nach alter Weise frei und atmend in die Windladen leiten. Die hängende Traktur ist sehr sensibel und angenehm zu spielen. Die Registeranordnung ist übersichtlich, logisch und gut zu bedienen.
Die Aufgabe im klanglichen Bereich war es, ein historisches Klangbild anzustreben, einen unverwechselbaren und individuellen Ton für dieses französisch-barocke Instrument zu erreichen und dabei doch die Funktionalität für den Gottesdienst zu gewährleisten. Der sehr entspannt singende Montre 8‘ bildet eine satte Grundlage, auf die der hellere Prestant 4‘ und als kleine Klangkrone die Doublette 2‘ sich aufsetzen. Die Fourniture auf 1‘-Basis gibt die strahlende Spitze der Prinzipalpyramide, erlaubt aber durch die stabile Mensur auch die Kombination mit nur einem Bourdon 8‘. Der Bourdon 8‘ in Grand Orgue ist mit Röhrchen nach französischem Vorbild, d.h. sehr lang und weit werdend, versehen. Im Gegensatz dazu ist der Bourdon d’Echo als Gedeckt gebaut. Damit werden die Klangcharaktere deutlich unterscheidbar. Ebenso sind die Cornets unterschiedlich gehalten, im Echo steht das schärfere, das dem Plein Jeu im ersten Manual entgegengesetzt werden kann. Das vollere und rundere mit weiter Quinte und Terz steht in Grand Orgue. Die Cromorne mit Bauweise nach Clicquot besitzt trotz sehr deutlich ausgeprägtem Obertoncharakter schönen Grundton.
Zur Stärkung u.a. der Cornets war eine (mitteltönige) Stimmung nach Rameau (1725) vorgesehen, diese wurde während des Aufbaus aber geändert zu Neidhardts Stimmung für die große Stadt (1724), da ein häufiges Zusammenspiel mit Instrumenten in der Gemeinde vorgesehen ist.
Das Instrument mit seiner barocken Klangpracht ist ein in neuapostolischen Kirchen stilistisch einzigartiges, klangschönes Instrument. Außer für die Aufgaben im Gottesdienst kann und sollte es zu einem Mittelpunkt für Konzert, Öffentlichkeitsarbeit wie Ausbildung und Nachwuchs-förderung werden. Eine Nutzung in diesem Sinne bleibt sehr zu hoffen.“
(SS/BS)
Hier noch einmal die Disposition im Überblick:
Grand Orgue (Hauptwerk) – Manual I – C-d³
Echo (schwellbar über Handzug „Echo fermé“) – Manual II – C-d³
Pédale – Pedal – C-d‘
Montre 8‘
Bourdon d‘Echo 8‘
Bourdon 16'
Bourdon 8‘
Cornet d'Echo 4fach (ab g°)
Prestant 4'
Flûte 4'
Nasard 2 2/3'
Doublette 2‘
Tierce 1 3/5‘
Fourniture 1‘ 3fach
Cromorne 8'